Mittwoch, 22. Juni 2011, 18.30 Uhr

»Im Arsenal der Geister.« Erasmus Schöfer liest ein Kapitel aus »Die Kinder des Sisyfos« und antwortet im Gespräch auf Fragen zu seinem Werk

Peter-Weiss-Bibliothek, Hellersdorfer Promenade 24, 12627 Berlin.

Erasmus SchöferAnfang der achtziger Jahre treffen sich in der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Buchhandlung einige der Hauptfiguren des Romans. Archie Kuhnke hat sie eingeladen, um einen »Lesekurs« über den Roman »Die Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss ins Leben zu rufen.

»Die Kinder des Sisyfos«

Der Gesellschaftsroman »Die Kinder des Sisyfos« umfaßt vier Bände, die vom Dittrich Verlag Berlin veröffentlicht wurden: »Ein Frühling irrer Hoffnung« (2001), »Zwielicht« (2004), »Sonnenflucht« (2005) und »Winterdämmerung« (2008). In diesen Büchern werden Frauen und Männer der linken Protestbewegungen ihr Leben wiedererkennen: ihre Wünsche und Entäuschungen, ihre Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen. Der Autor ist einer von ihnen. Er hat kein Geschichtsbuch geschrieben, sondern einen realistischen Roman über die Jahre 1968 bis 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ruft Erinnerungen wach, über die man nachdenken und reden wird. Sie sollen nicht vergessen werden. Es gibt nichts Vergleichbares in der neueren deutschen Literatur.

Wann und wie der Plan für dieses außerordentliche Werk entstanden ist, hat Erasmus Schöfer 2005 in einem Gespräch mit Arnold Schölzel beschrieben:

»1990 überlegte ich, was ich als Schriftsteller – immerhin sechzig Jahre alt – noch zu tun habe. Ein halbes Jahr war ich völlig ratlos, es ging mir sehr schlecht. Dann begriff ich, daß ich Lebenserfahrungen gemacht habe, über die wenige westdeutsche Schriftsteller verfügen – Erfahrungen in den Kämpfen, die stattgefunden haben, Erfahrungen mit den Menschen, die an diesen Kämpfen beteiligt waren und die diese Gesellschaft verändern wollten. Angefangen mit den Achtundsechzigern. Niemand hat wirklich gerecht und umfassend über sie und ihre Absichten geschrieben.

Ein Frühling irrer Hoffnung   Zwielicht

[ ...] Ich dachte, daß es meine Aufgabe sein muß aufzuschreiben, was mich und mein Leben als Bürger und Schriftsteller beschäftigt hat. Denn ich war in doppelter Funktion an verschiedenen Brennpunkten. Ich bin aus Neugierde hingefahren, weil ich mir sagte: Ich will über Situationen und Vorgänge schreiben, wo die Gesellschaft offen ist, wo die Menschen nach etwas Neuem suchen – die Bürgerbewegung am Kaiserstuhl gegen das Atomkraftwerk, die den Wert von Natur wiederentdeckt, die Arbeiter in der Glashütte von Immenhausen, die sich vorstellen, sie können ihren Betrieb auch selbst leiten, ohne Chefs. [ ...] 1990 wurde mir klar, daß meine ganze bisherige schriftstellerische Arbeit eine Sammlung von Skizzen, Entwürfen und Vorarbeiten für das Lebenswerk dieses Gesellschaftsromans war, den ich nun – endlich – verwirklichen müßte.«

(Aus: junge Welt, 22.10.2005)

Sonnenflucht   Winterdämmerung

Erasmus Schöfer, am 4. Juni 1931 bei Berlin geboren und dort aufgewachsen, hat später in Köln, Freiburg, München, Neuss sowie in Paris und auf den Inseln Patmos und Ithaka als freier Schriftsteller gelebt. Er arbeitete mehrere Jahre in Berliner und Kölner Fabriken, promovierte in Bonn in Sprachwissenschaft und Philosophie, war einer der Gründer und Vorsitzender des »Werkkreis Literatur der Arbeitswelt«, Mitinitiator und Autor des »Industrietheater Der Wahre Anton« und Mitarbeiter im Bundesvorstand des Deutschen Schriftstellerverbandes (VS). Erasmus Schöfer  ist seit 1980 Mitglied des Deutschen P.E.N.-Zentrums. Seine zahlreichen literarischen und publizistischen Arbeiten sind in Theatern, Rundfunkanstalten, Verlagen, Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht worden. Für Die Kinder des Sisyfos erhielt der Autor am 25. Mai 2008 den Gustav-Regler-Preis. Erasmus Schöfer lebt seit dreißig Jahren vorwiegend in Köln.

Eine kleine Ausstellung zeigt Bücher, die Erasmus Schöfer geschrieben oder herausgegeben hat, sowie Berichte von Lesern über ihre Auseinandersetzung mit der »Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss.


Veranstalter: Internationale Peter Weiss Gesellschaft und Peter-Weiss-Bibliothek

Eintritt: 3,00 € und 2,00 € (ermäßigt)
Platzreservierung: 9 91 20 08 - Reservierte Plätze werden bis 18.15 Uhr frei gehalten.

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