Sonntag, 4. November 2012 um 10:30 Uhr

Pergamon und der Engel der Geschichte - »Die Ästhetik des Widerstands lesen«. Lichtbildervortrag von Prof. Dr. Jürgen Schutte

Peter-Weiss-Bibliothek, Hellersdorfer Promenade 24, 12627 Berlin.
Eintritt frei. Platzreservierung: 030-9 91 20 08

Peter Weiss (1960)Die Handlung des Romans »Die Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss beginnt im Herbst 1937. Drei junge Leute aus dem Berliner Widerstand treffen sich im Pergamonmuseum: Horst Heilmann, Hans Coppi und der Erzähler des Buches, dessen Name nie genannt wird. Die Beschreibung ihrer Eindrücke und ihre Gespräche wenden sich an  einen konzentrierten Leser, der sich das Beschriebene vorstellen und über die Gespräche nachdenken kann.

Warum beginnt Peter Weiss die »Ästhetik des Widerstands« mit den Fragmenten eines zweitausend Jahre alten Kunstwerkes und mit den noch viel älteren Mythen, die es darstellen will? Was hat der Pergamonaltar Heilmann und Coppi zu sagen? Und was sagt er uns, wenn wir die Sprache des Buches verstehen?

Der erste Band des Romans »Die Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss löste bei seinem Erscheinen im September 1975 bei einem Teil der literarischen Kritik Ratlosigkeit aus. Im Ganzen mißlungen, stellt Manfred Werth in Christ und Welt fest. Und Fritz J. Raddatz schießt in der ZEIT mit der Überschrift seiner Kritik den Vogel ab: „Faschismus als Kreuzworträtsel“. Ausgehend von solchen Urteilen thematisiert der Vortrag die ungewöhnliche, auch viele Leserinnen und Leser irritierende Erzählweise der »Ästhetik« und schlägt Mittel und Wege vor, mit deren Hilfe man sich dem Jahrhundertbuch nähern kann.

Ein wichtiger Bezugspunkt bei dieser Lesart ist Walter Benjamins 1940 geschriebener Aufsatz »Über den Begriff der Geschichte«, dessen ästhetisch fundierter Geschichtsbegriff mit der  geschichtsphilosophisch lesbaren Kunstbetrachtung von Peter Weiss verglichen wird. Beide Texte erklären sich gegenseitig.

Aus dem Fries des PergamonaltarsAus dem Fries des Pergamonaltars

Nur dem Geschichtsschreiber wohnt die Gabe bei, im Vergangenen den Funken der Hoffnung anzufachen, der davon durchdrungen ist: auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein. Und dieser Feind hat zu siegen nicht aufgehört.
Walter Benjamin (1940)

Jürgen SchutteJürgen Schutte, geb. 1938, Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte an der FU Berlin und der Universität Zürich. Promotion 1971, Habilitation 1981, Professor 1992. Seit 2003 im Ruhestand.
Veröffentlichungen: Einführung in die Literaturinterpretation (1985) - Berliner Moderne (Hrsg. mit Peter Sprengel, 1987) - Dichter und Richter. Die Gruppe 47 und die  deutsche Nachkriegsliteratur (Hrsg. 1988) - Peter Weiss. Leben und Werk (mit Gunilla Palmstierna-Weiss, 1991). - Die Notizbücher. Kritische Gesamtausgabe (2006) -  Peter Weiss: Das Kopenhagener Journal. Kritische Ausgabe (Hrsg. 2006 mit Rainer Gerlach) - Diesseits und jenseits der Grenze. Der Briefwechsel zwischen Peter Weiss und Manfred Haiduk 1965-1982 (Hrsg. 2010 mit Rainer Gerlach).

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